Suchen, Klicken, Kaufen! So ziemlich jeder Inhalt lässt sich im Internet finden oder im Online Store erwerben. Mit Spielen ab 16 oder 18 Jahren gibt es besonders in Deutschland immer Probleme. Der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag soll das erleichtern, verwirrt aber alle. Wir haben uns die Situation kurz für euch angeschaut.
Auf der Suche nach passenden Spielen bieten Online Stores ein umfangreiches Sortiment an. Gleich als Download auf die Konsole, so sollte es im Idealfall sein. Die Ergebnisliste für Spiele ab 16 und ab 18 Jahren ist hingegen spärlich gesät. Woran liegt das eigentlich? Im System gibt es einen kleinen Drehhaken, der momentan durch seine Neuerungen ein besonderes Ärgernis ist: der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Um diesen zu verstehen, muss sich erst einmal durch die Definition des eigentlichen Jugendschutzes gewühlt werden. Ein Mini-Exkurs:
Das deutsche Jugendschutzgesetz regelt neben dem Aufenthalt an öffentlichen Orten, Alkohol, Tabak, FSK und USK auch den Verkauf beziehungsweise die Zugänglichkeit von Filmen und Games. Alles was für den Spieler öffentlich zugänglich ist wird von den Augen des deutschen Bundesadlers sorgsam beäugt.
Wenn die Eltern Junior dann doch den Ego-Shooter kaufen, während die Kassiererin die Nase rümpft, das kann keiner verhindern. Das Jugendschutzgesetz fungiert beim Kauf wie eine moralische Empfehlung an Eltern oder Kaufberechtigte. Besonders in den Vereinigten Staaten ist die Wut über derartige Empfehlungen groß und entbrannte zwischen Kaliforniens Gouverneur und ESA sogar vor Gericht.
Der Verkauf eines neuen Games in Deutschland hängt maßgeblich von Design, Inhalt und Jugendschutz ab. Viele Fans kommender Spiele gehen leer aus, wenn der Jugendschutz verstärkt wurde. Das lang ersehnte Spiel kommt auf die virtuelle Strafbank und dafür gibt es oftmals zwei Gründe: Die inhaltliche Darstellung der Gewalt ist definitiv zu hart (indiziert) oder es besitzt kein USK Rating (nicht identifiziert).
Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist in Deutschland Verwaltungsstelle für die Altersfreigabe von Computerspielen. Die USK-Prüfung erfolgt gegen eine Gebühr, daher scheuen einige Hersteller diesen Weg, müssen aber im Umkehrschluss mit einigen Abstrichen im Verkauf rechnen. Die USK überprüfen aber nur physische Datenträger, für die neue freiwillige Prüfung von Online-Inhalten (Stores, Browser, Download) ist der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zuständig.
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geistert seit einigen Monaten als neues Schreckgespenst umher. Ab dem 1. Januar 2011 veranlasst dieser eine Kennzeichnung sämtlicher Online-Inhalte, nachzulesen hier und besonders im § 5 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote:
“Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Die Altersstufen sind:
1. ab 6 Jahren,
2. ab 12 Jahren,
3. ab 16 Jahren,
4. ab 18 Jahren.
Die Altersstufe „ab 0 Jahre” kommt für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträchtigende Angebote in Betracht.”
Am 10. Juni 2010 wurde die Neuordnung des JMStV beschlossen, gegen Verstöße sind Bußgeldregelungen geplant. Damit die Neuerungen im JMStV in Kraft treten müssen alle 16 Bundesländer in Deutschland zustimmen. Einige Stimmen fehlen jedoch noch, so stimmt Nordrhein-Westfalen erst am 16. Dezember 2010 über die Änderungen ab.
Juristen überall in Deutschland zerlegen das gute virtuelle Schriftstück und kommen zu dem Schluss, dass der Vertrag ganz gleich seines Nutzens, für absolute Verwirrung sorgt. Die IT Rechtskanzlei in München proklamiert großzügig, dass 99% der Online-Händler die geplanten Regelungen ignorieren könnten. Der neue JMStV im alten Gewand betreffe also nur Online-Händler mit Sitz in Deutschland, die “entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte verkaufen” (wie Pornographie oder Gewaltverherrlichung) und somit in ihrem Impressum zusätzlich einen Jugendschutzbeauftragten nennen müssen. Ist kein Jugendschutzbeauftragter zuständig drohen Bußgelder, Abmahnungen und im Extremfall sogar Sperrungen. Hierfür bietet die USK zusätzlich erste Weiterbildungen ab Januar 2011 für Jugendschutzbeauftragte von Unternehmen an oder allgemein für Nutzer des neuen Selbstklassifizierungssystems.
Die Neuregelung betrifft Blogs, private Webseiten, aber auch Vereine, Parteien und einige Firmen. Für die Inhalte unter 12 Jahren ist die Kennzeichnung freiwillig, aber eventuell werden diese Webseiten dann bei Aktivierung von Inhaltsfilterprogrammen gesperrt. Die USK stellt Spielentwicklern einen eigens aufgebauten Service zur Selbstklassifizierung bereit; mit dem sogenannten JMStV-Startpaket kann eine erste Analyse über die Online-Inhalte mit Altersriegel gegeben werden. Noch ist kein explizites, einheitliches System zur Kennzeichnung bekannt, wer sich allerdings jetzt schon für eine entscheidet, muss die Inhalte entweder rückwirkend einzeln bewerten oder pauschal mit einer Alterskennzeichnung abstempeln.
Das Problem mit dem JMStV ist auf sprachlicher Ebene die Ungenauigkeit. Es ist zwar klar, WORUM es geht, aber nicht um WAS es geht. Daher mangelt es an einem Maßstab und welche Inhalte explizit betroffen sind – entweder waren es den Ministerpräsidenten im Sommer zu viele zum Auflisten oder es fehlen einfach die Ideen für Beispiele.
Der neue JMStV grast hauptsächlich die Anbieter ab, aber wie schaut es mit den Käufern aus? Auch hier ist der An- und Verkauf von ab 16 und ab 18 Spielen weiterhin problematisch. Das Angebot der Spiele 16+ und 18+ im Online Store von Sony ist praktisch nicht existent (obgleich das Hauptquartier in Japan liegt). Wenn Erwachsene für ihre Schützlinge ein Spiel für das PlayStation Network kaufen, das eigentlich erst ab 18 Jahren zugänglich ist, dann werden bei Zugriff die Kindersicherheitseinstellungen aktiviert (Beispiel 1, Beispiel 2). Ähnliche Kindersicherheitseinstellungen gibt es auch für den Xbox Marketplace. Microsoft ist Sony dennoch um einiges voraus, denn Demos ab 16 oder 18 sind hier frei verfügbar.
Die Lieferung von Filmen sowie Computer- und Videospielen mit der Kennzeichnung “ab 18 Jahren) ist laut § 14 JuSchG (Jugendschutzgesetz) an Minderjährige nicht möglich. Um sich des Alters zu vergewissern verlangen viele Online Shops eine Alters- und Identitätsprüfung, ein Service, der von Zustellern angeboten wird. Diese Überprüfung ist allerdings gebührenpflichtig, unabhängig vom Bestellwert. Daneben gibt es die Möglichkeit den Käufer über Online-Check-Portale oder beidseitig kopierte Personalausweise zu verifizieren. All diese Änderungen sind seit dem 1. April 2003 Pflicht und gelten für jene Spiele, die keine USK Einstufung haben, die nicht unter 18 Jahren eingestuft sind oder die indiziert sind.
Sind die Spiele in Deutschland nicht als Download im Store verfügbar, dann raunen sich in die Kaufwilligen in den Foren immer den Tipp zu: Kauf es doch in der Schweiz oder Österreich! Das liegt daran, dass hier das PEGI-System greift und nicht die USK. PEGI (Pan European Game Information) musste sich in den letzten Jahren auch eine Kritik um die Ohren hauen lassen, besitzt jedoch ein ausgefeiltes System an Kennzeichnungen. Neben einer Alterskennzeichnung gibt es hier auch Symbole für die Inhaltsbeurteilung. Die Anordnung der Symbole ist in den PEGI Guidelines genau festgelegt. Die Bewertung wird von der Spieleindustrie mit speziellen Verfahren größtenteils selbst vor; alle ab 16 und ab 18 Titel müssen noch einmal überprüft und bestätigt werden.
Diese Autonomie gefällt dem deutschen Jugendschutzgesetz nicht sonderlich, denn wer will schon ein “Muss” gegen ein “Kann” tauschen? Es gab jedoch 2009 diverse Vorschläge zur Ablösung der USK durch PEGI, was von einigen Verlegern aufgenommen wurde. Damals setzte sich das EU-Parlament für die Neuerung ein, danach fiel das Thema in einen Dornröschenschlaf.
Nachdem auch das Spielen auf Mobiltelefonen mit einer Altersbeschränkung verstehen wurde, gilt es mit dem JMStV sämtliche Online-Inhalte zu erobern. Irgendwo zwischen Theorie und Praxis liegt das Wörtchen “eigentlich”: Eigentlich müssten die Inhalte gekennzeichnet werden, eigentlich auch nicht. Eigentlich müssen die Online-Inhalte stetig überprüft werden, eigentlich ist das aber viel zu viel Informationsflut. Fakt ist, dass sich in Deutschland durch die Neuregelung des JMStV der Staat beziehungsweise die Länder in die Kaufbeziehung zwischen Händler und Gamer quetschen. Weitere Entwicklungen müssen schlicht abgewartet werden.
Quelle: Via fsm.de, it-recht-kanzlei.de, faq.de.playstation.com 1, faq.de.playstation.com 2, dhl.de, gamona.de