Ein neues Museum hat das Licht der Welt erblickt und die Besucher atmen alles andere als Staub. Hier geht es um knallbunte Grafiken, erste Konsolen und ein Einblick hinter die Kulissen: das Computerspielemuseum in Berlin, welches am 21. Januar seine Tore für die Welt die Fans und Freunde virtueller Welten geöffnet hat. Vorgestellt für euch in unserem Special!
Tür auf, Licht an und das Schild “Anfassen verboten!” waren für viele Kindergruppen die einzigen Lichtblicke auf der obligatorischen Museumstour, die den kulturellen Horizont erweitern sollte. In Berlin wird sich diese Einstellung demnächst ändern. Hier ist das Computerspielemuseum zu neuem Leben erwacht und lädt Besucher seit dem 21. Januar 2011 zu einem Rundgang durch die Geschichte der Games ein. In den Räumen in Berlin-Friedrichshain befinden sich neben der eigentlichen Ausstellung über Computerspiele, auch vereinzelt Sonderausstellungen. Derzeit lässt sich zur Geisterstunde im Museum der Klassiker Snake als RaveSnake spielen.
Snake war eines der ersten Frustgames der 1980er Jahre. Dabei musste eine Schlange durch ein mehr oder minder einfaches Spielfeld gesteuert werden, nebenbei Futter aufnehmen und durfte weder Wände noch seinen eigenen Schwanz berühren. Das Computerspielemuseum belebt den Spieltrieb, der durch die Videospielklassiker erst entstand, in den Besuchern erneut. RaveSnake lässt sich in der Ausstellung im Vorbeigehen über die Bluetooth-Funktion eines Handys steuern. Insgesamt können bis zu sieben Spieler in RaveSnake gegeneinander antreten. Das Projekt stammt von Extrajetzt Interactive, einem Berliner Entwicklerstudio und bezeichnet sich selbst als Genre der “Partyspiele für den Bürgersteig”.
Die Sonderausstellungen wollen auf bestimmte wegweisende Entwicklungen innerhalb der Geschichte der Games aufmerksam machen, was die Kuratoren selbst “Gameskultur” nennen. Nach eigenen Angaben kann der Besucher selbst mit dem Museum spielen, so verwandeln sich Fenster bei Nacht beispielsweise in eine Fläche für interaktive Ausstellungsstücke. Doch was ist eigentlich eine Gameskultur und warum ist Computerspielemuseum in Berlin womöglich so wichtig?
Quelle: www.computerspielemuseum.de
Ein Museum ist neben einer Sammlung von bedeutsamen Gegenständen, auch mit der Katalogisierung, Kategorisierung und (Er)Forschung der ausgestellten Gegenstände beschäftigt. Das katapultiert Computerspiele direkt in die Sphäre von Kunst und Wissenschaft. Damit herrscht eine Kreuzung von Themengebieten, die seit der Killerspieldebatte zum Pulverfass geworden ist, mit der abschätzigen Bemerkung “Das soll Kunst sein?” Auf jeden Fall! Bereits US-Filmkritiker Roger Ebert musste sich für seine Hypothese, dass Videospiele niemals Kunst sein können, vor dem verbalen Gegenwind schützen. Es entbrannte eine regelrechte Debatte über Videospiele, deren Genres und allgemeine Kunstspiele. Das Computerspielemuseum Berlin trägt indirekt dazu bei, den Streit zu schlichten. Games werden hier als wertvoller Beitrag zur Gesellschaft präsentiert. Sie sind keine Produktionen, die kichernd unter dem Ladentisch getauscht werden, sondern einen starken, eigenen Ausdruck besitzen. Auch Facebook hat inzwischen den Status der Games im Leben der Menschen erkannt und eine extra Kategorie für die Profile geschaffen.
Was wurde aus dem ersten Gameboy, den alten Tastaturen, Pac-Man, Link und der ersten 3D-Brille? Odyssey-Konsolen-Erfinder Ralph Baer will diese Fragen beantworten und auch fachfremde Personen mit Videospielen vertrauter machen:
“Video- und Computerspiele haben sich zu einer wichtigen Kunstform entwickelt. Wir brauchen einen Ort, an dem sich ein breites Publikum mit deren Geschichte und Entwicklung vertraut machen kann. Und das Computerspielemuseum ist der perfekte Ort dafür.”
In der Selbstdarstellung über das Computerspielemuseum Berlin wird vor allem eines klar: Es geht darum Vergangenheit und Zukunft der Games aktiv mitzugestalten. Die Besucher sollen nicht einfach nur staunen und nicken, sie dürfen probieren, zerren, knautschen, sich ärgern und so ziemlich jedes Knöpfchen drücken, was ihnen unter die Finger kommt. Computerspiele laden wie keine anderen Objekte der Geschichte zum Probieren ein. Seit mehr als 60 Jahren sind Computerspiele fest in das Leben der Menschen verankert und 13 Jahre davon hat das Computerspielemuseum Berlin die Entwicklung der Games verfolgt, kritisch beäugt und gewürdigt. Die letzte Bestandsaufnahme im Oktober 2010 zählte ca. 22.000 Computerspiele und Anwendungen, über 300 Konsolen und Computersysteme, über 10.000 Zeitschriften sowie unter anderem diverse Videos, Literatur, Merchandise-Artikel und Kunstobjekte. Wer sich schon einmal einen kleinen Vorgeschmack holen möchte, der wirft einen Blick auf den interaktiven Zeitstrahl der Videospiele. Von 1957 bis 2011 (eigentlich 2014) läuft der Ticker und zeigt den langlebigen Einfluss einzelner Erfindungen, Hardware wie Software mit Erläuterungen.
Großzügig wird proklamiert “Das erste Videospielmuseum der Welt wurde eröffnet!”, dabei ist das so nicht ganz korrekt gerechnet. Das Computerspielemuseum Berlin wurde bereits 1997 gegründet und hatte bis 2000 in eine dauerhafte Ausstellung inne. Es galt bis dahin als erste ständige Ausstellung zur digitalen Kultur und hatte einen dementsprechend hohen Stellenwert. Dann musste das Museum wegen Platzmangel erst einmal schließen. Das Computerspielemuseum Berlin war danach nur noch online verfügbar, bis es 2011 seine Tore erneut geöffnet hat. Es widmet sich nun wieder seinen drei Schwerpunkten: Ausstellen, Sammeln, Bewahren/Forschen.
Der erste Teil “Der spielende Mensch” gibt konkrete Beispiele, wie Videospiele den Menschen vom passiven Tipper zu einem “Homo Ludens Digitalis” gemacht haben, einen digitalen, spielenden Menschen. Der zweite Teil “Die Erfindung des digitalen Spiels” zeigt einzelne Entwicklungspunkte der Gameskultur, vor allem im Bereich der Konsolen und Kultspiele. Der dritte Teil “Die Welt des Homo Ludens Digitalis” präsentiert sich nachdenklich und erforscht, welchen Einfluss die vergangene Gameskultur auf die zukünftige haben kann, wird oder soll(te).
Höhepunkte der Ausstellung im Computerspielemuseum Berlin sind unter anderem die Wall of Hardware, bei der das nostalgische Herz über längst vergangene Konsolen hüpfen dürfte, als auch ein Riesenjoystick mit vollem Körpereinsatz oder die PainStation, bei der verpatzte Spielsituationen mit körperlichen Strafen (Hitze, Stromschlag, Peitsche) ausgeglichen werden.
Andere europäische Städte folgen dem Trend, Games als Kultur zu integrieren und bewahren zu wollen. In Italien eröffnet ab diesem Jahr das Spielmuseum mit starker Lokalpolitik, Vigamus, während in Paris das Musée du Jeu Vidéo bereits im April 2010 Besucher einlud, Videospiele als Kunst zu betrachten. Letzteres musste jedoch schon wenige Monate später geschlossen werden, dafür gibt es als Ersatz nur einen virtuellen Rundgang. Hoffentlich darf das Computerspielemuseum in Berlin länger bestehen, momentan erhält es eine ausgiebige öffentliche und private Unterstützung.
Die Games sind tot, lang leben die Entwickler? Das Computerspielemuseum Berlin ist alles andere als ein Friedhof längst verschrobener Games und deren inzwischen verblasstes Marketing. Das Museum ist selbst eine gigantische Spielfläche, sozusagen ein Game über Games. Mit dem stetig wachsenden Einfluss der Spiele, egal ob nun politisch gehasst oder medizinisch gelobt, werden Computerspielemuseen größere Bedeutung erlangen. Es ist sogar ein sehr guter Trend im Online-Zeitalter einen fixen Punkt zu kreieren, bei dem der Spieler anhält und sagen kann: So ist es einmal gewesen! Computerspielemuseen wie das in Berlin sind greifbar, nachhaltig und hoffentlich in Zukunft langlebiger. Neben der Ausstellung müssen sie aber selbst zum Spiel werden und entwickeln damit das Medium Museum als interaktive Sammlung als auch Games als erinnerungswürdige Publikation weiter.