Die Hartnäckigkeit der Demonstranten
besiegelte sein Ende: Die Menschen auf Ägyptens Straßen wollten nicht
verhandeln, bis ihre zentrale Forderung erfüllt war - Mubarak muss weg.
Jetzt hat der Ägyptens Präsident die Konsequenzen gezogen und die Macht
an die Armeespitze abgetreten. [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Berlin/Kairo/Beirut - Es war punkt 18 Uhr Ortszeit in Kairo, als die
Entscheidung fiel; mit dürren Worten gab Vizepräsident Omar Suleiman
bekannt, dass Präsident Husni Mubarak nach 31 Jahren angesichts der
"schwierigen Lage" im Land die Macht abgebe. Vorerst, so Suleiman, an
die Führung der ägyptischen Armee.
Der Rücktritt ist ein Triumph der seit Wochen demonstrierenden
Opposition. Drei Mal hatte Mubarak sich an sein Volk gewandt, drei Mal
einen Rücktritt kategorisch ausgeschlossen.
30 Jahre hatte der 82-Jährige Ägypten beherrscht
- doch nun schien Mubarak selbst nicht mehr daran zu glauben, dass er
den Protesten standhalten könnte. Denn der Aufruhr wollte sich nicht
legen. Im Gegenteil: Die Rufe nach Reformen und seinem Abgang wurden
auch von jenen aufgenommen, die noch vor kurzem an seiner Seite
gestanden hatte -
US-Präsident Barack Obama, Staats- und Regierungschefs aus Europa. Ihr Credo: Ägyptens Herrscher solle den Weg für einen Neubeginn frei machen.
Auf dem zentralen "Tahrir"-Platz in Kairos Innenstadt, dem Zentrum
der Revolte, jubelten Hunderttausende. Sie hatten schon fast nicht mehr
daran geglaubt, dass sie ihre Hauptforderung würden durchsetzen können.
Drei Jahrzehnte hatten die Partner im Westen Mubarak machen lassen.
Aus der "Kuh, die lacht" - so ein Spitzname Mubaraks, weil man ihn als
Stellvertreter jahrelang nur lächelnd hinter Anwar al-Sadat wahrnahm -,
war nach dem Attentat auf den damaligen Präsidenten im Oktober 1981
rasch ein souveräner Machthaber geworden.
Einer, der sich dem Westen als zuverlässiger Partner präsentierte - und im eigenen Land mit harter Hand regierte.
30 Jahre lang hing sein Porträt in jeder Amtsstube, durfte die
Huldigung des Präsidenten in keiner Ansprache fehlen, die in Ägypten
gehalten wurde. Junge Ägypter - weit über die Hälfte der Bevölkerung -
haben nie einen anderen Führer als Mubarak kennengelernt. Für sie
verkörperte der "Pharao" deshalb alles, was mit Ägypten im Argen lag:
kaum Chancen auf ein besseres Leben, wenig Freiheit, sich darüber zu
beschweren.
Mubarak galt dem Westen als GarantDer Westen setzte derweil auf Mubarak: Wegen seiner Rolle im Nahen
Osten, seinem unerschütterlichen Festhalten am Friedenschluss mit
Israel, seinen weitreichenden Kontakten in die arabische Welt schien es
keine Alternative zu ihm zu geben. Ob US-Präsidenten, französische
Staatsoberhäupter oder britische Premiers - alle unterhielten enge
Kontakte mit Mubarak.
Ägyptens
Präsident traf auch fast alle Spitzenpolitiker der Bundesrepublik, er
war ein gern gesehener Gast zunächst in Bonn, dann in Berlin. Auch
deshalb war wohl zuletzt
für einige Tage im Gespräch, Mubarak könnte nach seinem Abgang zunächst in Deutschland aufgenommen werden; allerdings ließ der Präsident schließlich wissen, das komme für ihn nicht in Frage.
Als der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1982 in Kairo
weilte, pries Mubarak "im Namen Allahs des Barmherzigen" den
FDP-Politiker wolkig als "meinen lieben Bruder" - als Genscher nach dem
Gespräch die Offenheit seines Gegenüber lobte, schmeichelte der Ägypter
zurück, unter Brüdern sei das so üblich.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Die Mubaraks hielten viel von Deutschland. Präsidenten-Gattin Suzanne
bekam von der Universität Stuttgart 2004 die Ehrenbürgerwürde - für ihr
soziales Engagement, ihren Einsatz für die Rechte der Kinder und Frauen.
Als der Staatspräsident sich im selben Jahr in München wegen eines
Bandscheibenvorfalls in einer Klinik behandeln ließ, besuchte ihn die
damalige Politprominenz - Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber,
Außenminister Joschka Fischer und Kanzler Gerhard Schröder. Der
SPD-Politiker begründete das so: Als einer der erfahrensten Politiker
der Region sei Mubarak "ein besonders wichtiger Ratgeber".
Die Wertschätzung des Außenpolitikers Mubarak blieb bis in die
jüngste Zeit ungebrochen. Im März 2010 wurde er in Berlin von Kanzlerin
Angela Merkel empfangen - um sich anschließend in Heidelberg an der
Gallenblase operieren zu lassen. Immerhin sei aber auch die Lage der
Menschenrechte in den Gesprächen mit der Bundesregierung thematisiert
worden, so nach Angaben des deutschen Außenministers Westerwelle etwa
bei seinem Besuch im Frühjahr 2010 in Kairo.
Doch es blieb bei vorsichtigen Dialogen, echte Reformforderungen
blieben aus. Stattdessen galt Mubarak als Garant im Kampf gegen den
radikalen Islam. Sein hartes System schien auch der Regierung von
US-Präsident George W. Bush nützlich im Kampf gegen mutmaßliche
Terroristen und deren Unterstützer.
Spektakulär war der Fall des Klerikers Abu Omar,
der in Italien auf offener Straße von der CIA entführt und in Ägypten
seinen Angaben zufolge gefoltert wurde. Seine Schilderungen aus der
Haftzeit gaben einen Blick frei auf das Grauen, das in den Kerkern des
Regimes herrscht.
2. Teil:
Wie Mubarak zum Autokraten wurde
In Ägypten galt Mubarak da schon längst als Tyrann: Im Lande
herrschte ein ewiger Ausnahmezustand, mit Hilfe von Anti-Terror-Gesetzen
und unverkennbar manipulierten Wahlen sicherte sich Mubarak seine
Macht. Er hatte sein Land zum Polizeistaat gemacht:
Weit mehr als eine Millionen Spitzel, Agenten und Polizisten
sollen die Bevölkerung von gut 80 Millionen Menschen überwacht haben.
Die Opposition wurde klein gehalten, kritische Medien hatten es schwer.
Politisch Andersdenkende landeten in berüchtigten Folterknästen, viele
verschwanden spurlos.
Gradmesser für den Hass, den der Despot deshalb auf sich zog, waren
die Mordanschläge, denen Mubarak über die Jahre entging. Dem Tod am
nächsten kam er dabei 1995 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Mubarak war auf dem Weg zu einem afrikanischen Gipfeltreffen, als
ägyptische Islamisten seinen Konvoi angriffen. Nur dank der Panzerung
seiner deutschen Limousine überlebte der Präsident.
Druck von außen, seinem Volk mehr Freiheiten einzuräumen, widerstand
Mubarak. Auf Drängen Washingtons duldete er für die Präsidentschaftswahl
2005 zwar erstmals andere Kandidaten neben sich. Doch die Mühe, der
Mehr-Kandidaten-Wahl einen demokratischen Anstrich zu geben, machte sich
das Regime nicht. Oppositionsbewerber Aiman Nur erlangte wohl auch
aufgund von offensichtlichen Manipulationen nur rund 7 Prozent der
Stimmen. Seine Kandidatur kam Nur zudem teuer zu stehen: Kurz nach der
Wahl wurde er unter fadenscheinigen Gründen zu fünf Jahren Gefängnis
verurteilt.
Den größten Unmut jedoch schürte der wirtschaftliche Niedergang
Ägyptens: In den siebziger Jahren noch konnte sich das Nil-Land
ökonomisch mit Ländern wie Süd-Korea messen. Doch während asiatische
Schwellenländer durchstarteten, konnte Ägypten nicht mithalten.
Mubaraks Ägypten versagte auch wirtschaftlichGrund für die Misere ist einerseits das Versagen der sozialistischen
Planwirtschaft, der sich Ägypten wie viele andere arabischen Länder
verschrieben hatte. Andererseits war das autokratische System Mubarak
Nährboden für Korruption und Kleptokratie. Dazu passt ein Witz, einer
von vielen dieser Art, den man sich laut "taz" in Ägypten erzählt:
Mubaraks Sohn Alaa wird zur Mercedes-Vertretung in Kairo eingeladen.
"Für nur zwei Euro können sich Eure Exzellenz eine Luxuslimousine
aussuchen", sagt der Mercedes-Verkäufer. Da holt der Präsidentensohn
einen 10-Euro-Schein aus der Tasche. Als der Verkäufer abwehrt, sagt er:
"Ich nehme gleich fünf Fahrzeuge."
Reformen, die den Staatshaushalt sanieren sollten, kamen wiederum
vornehmlich der Ober- und Mittelschicht zu Gute. Unter den Armen wuchs
nur das Elend, und damit der Zorn. Über die persönlichen Reichtümer des
Diktators gab es bislang nur Gerüchte. Sie reichten, um den Hass zu
nähren: Das Vermögen der Familie Mubarak soll sich auf 40 Milliarden
Dollar belaufen, angehäuft zum Beispiel durch Kommissionen für
Rüstungsaufträge. Das Geld soll sicher im Ausland angelegt sein, heißt
es in arabischen Medien - Mubarak und seiner Familie wird es auch ohne
die Macht an nichts fehlen. Experten bezweifeln allerdings, dass die
genannten Summen realistisch sind.
Von Anfang an problematisch war Mubaraks Verhältnis zu anderen
Nationen der arabischen Welt. Der 1979 von Sadat geschlossene
Separatfrieden mit Israel hatte Ägyptens Stand als politische Großmacht
unter den Arabern schwer beschädigt. Mubarak entschied sich dennoch, an
dem umstrittenen Abkommen festzuhalten. Dies sicherte Ägypten die
Anbindung an den Westen sowie jährliche Finanzhilfen seitens der USA im
Wert von 1,5 Milliarden Dollar, davon 1,3 Milliarden an Militärhilfen.
Durch Verhandlungen gelang Mubarak später die Wiederaufnahme in die
Arabische Liga und ein Aufbrechen der Isolation im arabischen Raum.
Viele vergaben Mubarak jedoch nie, dass er den Frieden zwischen
Israelis und Arabern zu "seiner Mission" erklärt hatte. Quer durch die
arabische Welt wurde Mubarak bis zu seiner Abdankung auch als "Zionist"
oder "Lakai des Westens" verunglimpft. Gläubigen Muslimen galt er wegen
der Unterdrückung der Muslimbrüder in Ägypten als Feind.
Nun wird sich zeigen, was der Machttransfer bedeutet - ob die Armee
am bisherigen Fahrplan für Wahlen im September festhält, oder die
Opposition zuvor mit ins Boot holt. Auch die künftige Rolle des gerade
erst ernannten Vizepräsidenten Suleiman ist unklar. Doch das sind Fragen
für die kommenden Tage - im Moment feiert Ägypten seine Revolution.