In Videospielen tickt die Zeit ein bisschen anders. Besonders für die Figuren, die auch nach ihrem Jubiläum, der 10-fachen Entwicklungszeit und dem 5. Titel der Franchise immer noch aussehen, als sei Chronos spurlos an ihnen vorbeigezogen. Ist es wirklich so schwer unsere liebgewonnenen Charaktere realistisch altern zu lassen?

Lara Croft, Duke Nukem, Dante aus Devil May Cry, Max Payne, Super Mario, Solid Snake, Sonic the Hedgehog, Leon aus Resident Evil und die Kollegen aus Street Fighter. Sie alle sind nur eine kleine Auswahl jener den Gamern bekannter Helden, die sich mit einem bekannten Problem herumschlagen müssen – dem Altern! Wie sehe Dante wohl mit Bierbauch aus nach zu viel Pizza und ob Leon immer noch mit einem Rollator Zombies jagen könnte? Einen visuellen Vorgeschmack auf diese Fragen geben die Bilder auf Examiner, die sich bildlich mit einem ähnlichen Thema beschäftigt haben. Damit sind sie nicht allein, denn viele Gamer interessiert die Frage: Was wird aus der Figur nach dem Spiel? Lebt ein Game nicht von Entwicklung, sowohl inhaltlich als auch charakterlich?

An der Front der Zeit ist es ruhig. Sehr ruhig. Was jedoch öfter zu passieren schient ist das Phänomen von “alten Helden, junge Klone.” Es scheint Publishern schwer zu fallen ihre geliebten Alt-Helden in den digitalen Ruhezustand zu schicken, also werden sie kurzerhand in der Zeit eingefroren. An ihre Stelle treten dafür die jungen Klone. Das sind neue Helden der gleichen Franchise, die seltsamerweise die gleichen Fähigkeiten, Eigenschaften oder Macken haben wir ihr gealtertes Ego.

Warum aber können die gestalteten Charaktere nur so schwerlich altern? Auf der einen Seite ist da natürlich das Verkaufsargument. Wenn Lara Croft nach all den Jahren doch einmal dezent das weißgraue Haar wallen lässt, sich eventuell nach der ganzen actionreichen Zeit einer Stütze bedient und etwas schwerfällig vor einer erlegten Fledermaus posiert, dann ist das vielleicht passend, aber kein Ansporn im Marketing. Wohl kaum ein pubertierender Käufer mit Einkaufsrecht würde sagen “Oh wow, das neue Tomb Raider Spiel mit einer endlich realistisch gealterten Lara Croft!”

Dennoch ist es von der künstlerischen Seite ein Makel, die Helden nicht weiter altern zu lassen. Im unschönen Twilight-Stadium des ewigen Einweghelden, besitzen die Figuren alles außer die Spuren der Zeit. Es ist auch ein großer Denkfehler, wie das Beispiel von der momentan heftig umstrittenen Lara Croft zeigt. Sie wurde von ihren Schöpfern mit einer tragischen Vergangenheit ausgestattet, ihre Kindheit ist dem Spieler klar, ihr weiterer Verlauf auch – und dann ist Schluss. In der Neuauflage wurde Lara zu einem zerbrechlicheren Wesen gemacht, leider hat man sie auch durch eine Botox- wie Zeitmaschine geschickt, denn auf den ersten Bildern wirkt sie immer noch genau so jung – wenn nicht sogar ein wenig jünger. Auch der neue Dante aus DmC (sofern es denn wirklich Dante ist) hat den Sprung in die Vergangenheit geschafft und sich prompt verjüngt. Als Punk auf Monsterjagd spricht Dante ein wesentlich jüngeres Publikum an und vernachlässigt ein wenig seine treugebliebenen Fans, die ihn eher skeptisch beäugen.

Gelungene Gegenbeispiele gibt es allerdings auch, wie etwa Max Payne aus dem gleichnamigen Spiel oder Solid Snake aus Metal Gear Solid. Während es für Solid Snake eine plausible Erklärung im Spiel gibt, die (SPOILER) nicht wirklich etwas mit realistischer Alterung zu tun haben, ist Max Payne da natürlicher. Die ersten Bilder zu Max Payne 3 zeigen seinen Helden um einige Jahre gealtert, mit deutlichen Blessuren. Probleme gibt es angeblich auch bei der Synchronisation, denn Max braucht eine Stimme, die seinem Alter gerecht wird. Egal wie sich Rockstar Games entscheidet, sollte Max Payne wirklich den Bildern entsprechend auftreten, dann zählen sie zu den wenigen Publishern, die Zeitverschiebung ernst nehmen. Wenn ein Spiel 12 bis 20 Jahre nach einem Event eintritt, dann kann ich als Spieler nicht erwarten die Figuren und Umgebung seien stehen geblieben.

Ist das moralisch überhaupt akzeptabel? Kinder, Kranke und ältere Damen wie Herren unserer Gesellschaft werden von den Regierungen immer wieder als besonders schutzbedürftig dargestellt. Sind die Charaktere hingegen zu jung, besonders das weibliche Geschlecht, dann entbrennt wieder eine Grundsatzdebatte über Sexualisierung.

Sind Games der elektronische Jungbrunnen oder klemmt das Getriebe der Zeit einfach? Nach einem älteren Bericht aus The Guardian ging es darum, die Gamerklasse 45+ als besondere Zielgruppe anzusprechen und für Games zu begeistern. 2006 hieß es, dass von den damaligen 127 Mio. Einwohner Japans, mehr als 20% älter als 65 Jahre sind, bis 2025 soll dies auf 30% steigen. Wäre es da nicht sinnig gewesen, die Charaktere in den Spielen auf ein ähnliches Alterslevel zu drücken? Das ist womöglich abschreckend, weil sich diese Zielgruppe zu Recht nicht mit dem digitalen alten Brot abgeben will, sondern auch etwas vom jungen Kuchen der neuen Generation.

Das Genre spielt jedoch auch eine große Rolle, ob das Alter den Charakter beeinflusst oder nicht. Es gibt gewisse Genres, da steht die Handlung selbst im Hintergrund und es geht um die pure Action. Alte Helden in Jump’n'Runs wären beispielsweise ein Hindernis. Um diese Problematik zu umgehen, werden viele Spiele dieser Sparte mit einem gewissen Niedlichkeitsfaktor ausgestattet. Super Mario ist hierfür das Paradebeispiel, denn der Klempner dürfte nach der Schwerstarbeit Prinzessin Peach zu befreien und seinem Handwerk ziemlich schnell alt aussehen. In Puzzle-Spielen oder Adventure-Games hingegen ist es sogar gut, wenn die Figuren älter sind. Das verleiht dem Spiel je nach Thematik eine bessere Atmosphäre, weil die Charaktere eine Vergangenheit haben. Diese digitale Lebenserfahrung macht den Spielverlauf erst spannend für den Gamer. In Action Games ist die Stimmung gemischt. Einerseits kann hier die Tiefe der Story mit dem Alter kombiniert werden, andererseits lässt mich das Bild eines Rollator-Leon aus Resident Evil auf Zombie-Jagd eher schaudern – aus den falschen Gründen.