Eskalation in Ägypten: Weite Teile des Landes offline (1.Update)
Steht das Land vor einer Revolution ?
Das erste Mal im digitalen Zeitalter greift
eine Regierung scheinbar zum äußersten Mittel und hat das Internet in 90
% des Landes abstellen lassen. Ziel dieser Maßnahme ist es, die
Kommunikation der Demonstranten zu unterbrechen. Um 23.34 Uhr unserer
Zeit fiel in nahezu ganz Ägypten das Internet aus.
Die punktuelle Störung der Kommunikationswege oppositioneller
Gruppen ist in totalitären Staaten allgemein bekannt. Während der
Proteste im Iran sperrten die dortigen Machthaber den Zugang zu sozialen
Netzwerken. Außerdem störte man die Handykommunikation. Dass nun ein
ganzes Land nahezu komplett vom Netz genommen wurde, ist ein bis dato
einmaliges Ereignis. Nachdem Ägypten die schwersten Unruhen seit der
Machtergreifung Mubaraks erlebt, entschloss sich das Regime nun zu
diesem Schritt. Dies ist als Zeichen der absoluten Härte zu deuten,
nachdem bereits Polizisten keine Gnade mit den Demonstranten zeigten. Die
Einführung dieser totalen Informationssperre hängt augenscheinlich
damit zusammen, dass viele Protestler ihre Demonstrationen mit Hilfe der
modernen Kommunikationswege organisierten. So sprach man sich in
sozialen Netzwerken ab, deren Sperrung bereits einige Tage zuvor
stattfand und eine Reaktion seitens "Anonymous" hervor rief. Das
auf die Überprüfung des weltweiten Datennetzes spezialisierte
Unternehmen Renesys bestätigte indes den zur Kenntnis genommenen
Eingriff bei ägyptischen Service-Providern. Nachdem bereits Meldungen
vorliegen, wonach erste Mobilfunknetze gestört sind, liegt der Verdacht
nahe, dass die flächendeckende Eindämmung der Telekommunikation der
nächste Schritt dieser Informationsblockade sein wird. Zur Zeit
sind weitestgehend alle ägyptischen Seiten nicht abrufbar. Selbst die
Seiten staatlicher Behörden sind vom Netz genommen worden. Allerdings
gibt es auch Ausnahmen. So ist die Seite der ägyptischen Börse nach wie
vor erreichbar. Ebenso sind einige unabhängige ägyptische Medien
aufrufbar, da ihre Server im Ausland stationiert sind. Die Journalisten
stehen nun allerdings vor dem Problem, ihre Onlineangebote nicht mehr
aktualisieren zu können, da sie aus Ägypten heraus keinen Zugang mehr
bekommen. Nach dem heutigen Freitagsgebet ist erneut zu Demonstrationen
aufgerufen worden. Laut einem Sprecher der ägyptischen Behörden werde
man mit aller Härte vorgehen und jede versuchte Demonstration
verhindern, notfalls mit Waffengewalt. Seit den Morgenstunden befinden
sich gepanzerte Einheiten in den Straßen Kairos und riegeln strategisch
wichtige Knotenpunkte ab.Update 1 (29.01.2011, 1:10 Uhr)Da
trotz der massiven Einschüchterungsversuche, die Demonstrationen den
Tag über nicht abklungen, begann die Regierung am Nachmittag damit das
Militär einzusetzen. Bilder, die über den arabischen TV-Sender Al
Dschasira liefen, zeigten die Parteizentrale der herrschenden Partei in
Flammen. Sicherheitskräfte konnten die Demonstranten allerdings daran
hindern, das Gebäude des staatlichen Fernsehens, sowie das
Aussenministerium zu stürmen.Am Abend äusserte sich erstmals ein
politischer Vertreter der ägyptischen Opposition auf einer
Pressekonferenz. Er forderte die Bildung einer Übergangsregierung, sowie
eine Änderung der Verfassung.Heute Nacht hielt Staatschef
Mubarak eine Fernsehansprache in der er die amtierenden
Regierungsmitglieder auffordert ihren Rücktritt einzureichen. Er werde
sich demnach um die Bildung einer neuen Regierung kümmern. Weiterhin
verteidigte er das harte Vorgehen gegen die Demonstranten und sprach
davon, dass man vorsichtig sein müsse damit kein Chaos ausbreche, da
dadurch keine Demokratie entstünde.Zur Zeit sollen mindestens 13
Menschen bei den Zusammenstößen ums Leben gekommen sein. Andere Quellen
sprechen von weitaus mehr Opfern.
Text-Quellen:
Süddeutsche Zeitung
tagesschau